Ich fuhr nach Feierabend öfter mal mit Anja im Auto mit und sie lies mich dann, nach einem Zwischenstopp im Bottle Shop um für Bier Nachschub zu sorgen, in Parap bei Andy raus. Eines Tages sagte Andy mir dann, ich soll sie ruhig noch kurz reinbitten, wenn wir in der Unit ankommen und ihr ruhig auch noch ein Bier anbieten. Komischerweise, denn in abendlichen Gesprächen einige Tage vorher erzählte er mir, Anja sei für ihn größtenteils nur eine Arbeitskollegin, keine enge Freundin. Deshalb käme sie auch nicht oft zu uns und er will das auch nicht unbedingt. Naja, jedenfalls erlaubte er mir sozusagen, mich als Gastgeber auszugeben und ihr noch ein Bier anzubieten. Das war dann soweit alles auch in Ordnung.

Einige Tage später fuhr ich wieder vor Andy heim und fing schon mal an, bisschen was zu kochen. Schöne, leckere Chicken Drumsticks, Reis und Wok-Gemüse. Jedenfalls wartete ich dann auf Andy, doch er kam nicht. Als es gegen 19 bzw. 20 Uhr dunkel wurde, klopfte Bob, unser Nachbar an der Scheibe. “Oh nein”, dachte ich, “nicht ihmchen schon wieder”. Ob ich ihn verstehen werde? Er kam und wollte mit Andy schwätzen. Ich erklärte ihm, dass Andy noch nicht daheim war, ich gekochte habe und selber auf Andy warte. Damit hatte er nicht gerechnet – es folgte also etwas Small-Talk. Bob war vielleicht knapp 10 Minuten da, bis er wieder in seine Unit verschwand. Ich schaute weiter fern und war ein bisschen am Laptop. So zwischen 21 und 22 Uhr etwa kam Andy dann ziemlich betrunken heim. Ich war in meinem Zimmer, als ich ihn laut “tobyyyy, my german man, where are you?”, “are you here?”, “Can you open the door?”, rufen hörte. Ich ging also ins Wohnzimmer und öffnete ihm die Hintertür an der Terasse. Die hatte ich nämlich von innen verschlossen.

Es gibt zwar auch einen Haupteingang, für den er auch den Schlüssel hatte, aber dafür muss man einmal um die ganze Unit rumlaufen, deswegen ging man immer durch die Hintertür an der Veranda rein, wenn eine Person zu Hause war. Da ich in meinem Zimmer war und keinen Blick auf diese Tür hatte, verschloss ich sie. Andy meckerte trotzdem erstmal, da wir üblicherweise auch noch eine Art Gehstock in die untere Schiene der Schiebetür legten, der dann das Öffnen der Türe blockierte und ich das in dem Fall nicht gemacht hab. War für mich nicht nötig, ich war ja zu Hause und muss dementsprechend nicht alles gleich komplett abriegeln, wie wenn alle aus dem Haus sind. Naja, ich bin sicher, dass er selber es auch nicht gemacht hätte, aber bei mir wird natürlich erst mal gemeckert…

[..] Andy fragte, ob was gewesen sei, ich sagte ihm, dass Bob kurz vorbeigeschaut hatte, er ja aber nicht da gewesen sei. Andy wollte wissen, was ich ihm gesagt hatte. Also sagte ich ihm kurzerhand, dass ich Bob gesagt habe, dass ich auch nicht wüsste, wo er sei, ich selber warte und am Kochen bin. Daraufhin quatsche ich noch 5 Minuten mit ihm und dann ging er wieder zu sich rüber. Ich weiss nicht, was nun Andy’s Problem war, aber das, was ich ihm da grad erzählte, regte ihn tierisch auf. Er war sauer auf mich, da ich einfach einen “seiner” Gäste empfangen habe, ohne das er selber da war.

[..]

Doch vielleicht eine viertel Stunde später rüttelte Andy schon an meiner Tür und sagte ich soll aufschließen. Mein Herz klopfte. Ich denke, er hatte die Sache mit Bob einfach falsch verstanden und denkt von mir, ich würde mich einfach in sein gemachtes Nest setzen, mich bedienen und dann auch noch selbstverständlich seine Gäste dort versorgen. So war es aber eben nicht. Letztlich saßen wir wieder auf dem Sofa im Wohnzimmer und er motzte mich an und sagte mir ins Gesicht, wie unhöflich ich eigentlich sei. Dann kam er zur Erkenntnis, dass es besser sei, wenn er mich rauswirft, bevor er noch schlimmeres anstellt. Ich traute meinen Ohren kaum, aber er sagte wirklich, ich soll sofort meine Sachen packen und verschwinden. Ich suchte also schnellstmöglich meine sieben Sachen beisammen, schmiss alles in meine Reisetasche und rannte ziemlich bald raus auf die Straße.

Ich dachte er würde mich vielleicht doch zurückrufen oder so, aber es kam nichts. Es war so gegen 23 Uhr. Ich brauchte ein paar Minuten, um zu begreifen, was gerade geschehen war. Ich lief erstmal die Straße hoch, bis zur Bushaltestelle. Es war schon zu spät, kein Bus mehr, der in die City fährt. Wohl oder übel rief ich mir also ein Taxi heran, das gerade vorbeikam. Ich ließ mich mitten in der City in der Mitchell Street absetzen und überlegte, was ich nun machen soll. Zu aller erst ging ich in Tommo’s Pie Shop, da ich Alex fragen wollte, ob ich bei ihm, Andrew und Lotty ins Appartement einziehen kann. Doch Alex arbeitete an diesem Abend leider nicht. Stattdessen traf ich an der Theke auf einen Jungen in meinem Alter, der mir freundlicherweise die Handy Nummer von Alex rausgab. Später wird mir Andrew erzählen, dass der Junge auch ein deutscher Backpacker ist und im Pie Shop für Andrew jobbt.

Ich rief Alex an, erzählte ihm, das Andy mich vor die Tür gesetzt hat. Doch so wirklich zu interessieren schien es nicht, es war auch recht laut bei ihm. Er war an diesem Abend bei einem Musikkonzert, von dem er mir auch schon einige Wochen vorher erzählt hatte. Jedenfalls nahm er es eher mit Humor auf und lachte, typisch Alex. Dann sagte er mir, er freute sich schon lange auf diesen Abend und will ihn genießen und auch heute nichts von den Problemen mit Andy wissen. Wirklich weitergebracht hatte mich der Anruf also nicht. Ich klapperte zwei, drei Hostels ab, doch bis auf das „Melaleuca on Mitchell” hatten alle Rezeptionen schon geschlossen.
Ich checkte also dort ein und buchte erst mal 2 Nächte. Zwischenzeitlich erreichte mich eine SMS von Andy, ein Funken Hoffnung auf Reue seinerseits fühlte ich in mir, doch alles was kam war nur “Fuck off, u Parasite”. Die ganzen SMS von Andy und überhaupt alle SMS aus meiner Australien Zeit, habe ich sogar heute immer noch auf meinem Handy gespeichert und lese ich mir ab und zu durch, wenn ich eine innerliche Zeitreise in mein Australien Abenteuer machen möchte.

Ich bezog also nach langer Zeit mal wieder ein “echtes” Hostelzimmer. Meine Zimmergenossen waren in Ordnung, recht ruhig. Ein oder zwei Asiaten waren dabei. Das Zimmer war schön klimatisiert. Ich fands echt lustig, in Darwin mal wieder wie ein “normaler” Backpacker in einem Hostel zu übernachten. Ich hatte mich wohl wirklich schon komplett an Andy’s Unit gewöhnt.
Am nächsten Tag, es war Freitag, schlief ich normal aus, ein Anruf oder SMS hatte mich nicht erreicht – hätte ja sein können. Später bin ich dann in die City bzw. war es ja eigentlich schon. Erst mal bin ich zu Anja in den Déjà Vue Souvenirshop in der Mall, gegenüber dem Café von Luica, Andy’s Schwester. Anja wusste natürlich schon über alles Bescheid, sie hatte Andy ja wie ja inzwischen jeden Morgen aus Parap abgeholt, um ihn mitzunehmen. Ich fragte sie mal vorsichtig, ob ich bei ihr wohnen könnte, aber das wollte sie irgendwie auch nicht wirklich, es sei nicht aufgeräumt und so weiter, sagte sie. Ich blieb noch etwas bei ihr und schob meinen Besuch bei Andy im Shop vor mir her. Irgendwann raffte ich mich aber auf und ging zu ihm in den Laden.

Er war an der Theke beschäftigt und fragte mich, wie es mir geht. Ganz gut, sagte ich und frage ihn das gleiche. Auch ihm schien es gut zu gehen und ich merkte, dass er extra so tat, als sei alles bestens. Ich erwartete schon irgendwie irgendetwas von ihm, eventuell sagte ich das auch, ich weiß es leider nicht mehr. Aber es dauerte nicht lange, da fing er wieder an und warf mir mein Fehlverhalten vor und warf mich aus dem Laden. Ich sagte ihm noch, dass er verrückt sei, da er jeden Tag etwas anderes sagt und man ihn daher einfach nicht verstehen kann und verließ den Shop.

Ich erzählte es kurz Anja und war immer froh, denn sie machte mir irgendwie Mut, wenn sie sagte, ich solle das alles nicht so ernst nehmen und Andy würde sich eh wieder einkriegen. Vermutlich fühlte ich mich bei ihr aber innerlich irgendwie wohl, weil sie inzwischen einfach die letzte “Deutsche” war, mit der ich in direktem Kontakt stand. Mit Marissa und den anderen war ich nur online, per SMS und ab und zu am Telefon in Kontakt. Laura war ja auch längst weg und mit deren Tante und Onkel hatte ich daher dann auch keinerlei Kontakt mehr, obwohl ich eigentlich immer mal bei Franziska anrufen wollte.

Ich bin dann anschließend in Richtung States Library und hab mich dort auf eine Wiese gesetzt, um nochmal nachzudenken. Ich fand es ziemlich traurig, dass Andy einen solchen Hass auf mich hatte. Das war ganz sicher nicht, was ich erreichen wollte. Auch, dass er mir sagte, ich sei ziemlich unverschämt, unhöflich und egoistisch, ging mir innerlich schon nahe, denn so wollte ich natürlich bei den Leuten, die ich in einem fremden Land kennenlernte in Erinnerung bleiben. Immerhin war ich dort ja auch Gast. Deswegen erschrak ich zum Teil auch etwas vor mir selber.

War ich wirklich so unhöflich? Ich denke aber ehrlich gesagt nicht. Ich hab mich bei Andy daheim öfter zurückgehalten, habe Dinge aus Höflichkeit verneint. Aber wahrscheinlich war es unter anderem genau das, was ihn an mir störte. Denn damit signalisierte ich ihm gegenüber eine gewisse Ablehnung. Aber für mich war es eben schwer, mich komplett zu öffnen und immer alles anzunehmen, da ich eben “nur” Gast war und dazu auch noch nichts bezahlte. Deswegen versuchte ich immer einen Mittelweg zu finden, wie ich mich verhalte.

Ich saß jedenfalls auf der Wiese und kam zu dem Entschluss, die Sache mit dem Wohnen bei Andy zu vergessen und überhaupt generell mit Darwin abzuschließen. Es war einfach Zeit für was neues, ich war lange genug in Darwin und das war ein eindeutiges Zeichen. In letzter Zeit gab es so viel Hin- und Her mit Andy, es war anstrengend geworden mit ihm und ich wollte nur noch weg aus Darwin. Es war zwar einerseits schade, dass es nun so, in dieser Art und Weise, ein Ende nimmt, aber trotzdem irgendwie eine gute Gelegenheit, weiter zu ziehen. Das mit dem Weihnachten in Darwin schien dann wohl auch gelaufen zu sein, aber naja, was soll’s dachte ich mir. Ich werde einfach weiterziehen und die Sache ist gegessen, denn ich bin völlig frei und unabhängig! In diesem Moment wurde mir wieder bewusst wie geil es eigentlich war. Ich konnte ja letztlich wirklich alles selber entscheiden, wie lange ich wo bleibe und so weiter. Ein tolles Gefühl!

Gegen Mittag ging ich wieder zu Anja und war gespannt wie heute das Mittagessen aussehen wird. Wird Andy mit zum Monsoons gehen oder nicht? Glücklicherweise hatte er schon eine Stunde früher Mittagspause gehabt, sodass ich mit Anja alleine ging. Es geschah sonst nichts Besonderes mehr an diesem Tag. Am Samstag früh aber klingelte mein Handy: Andy rief an. Ich ging nicht dran. Später schrieb er eine SMS: ob ich nach Hause komme, er holt mich auch ab und nach dem ich auch darauf nicht reagiert habe, schickte er dann eine zweite SMS, in der er schrieb, dass die Entscheidung jetzt an mir läge.
Ich kann bei ihm wieder einziehen, wenn ich möchte, wenn ich aber nicht möchte, sei es auch in Ordnung. Ich ließ ihn noch etwas zappeln und fuhr an dem Samstag zum Lake Alexander, um auf „Wallaby“ (Känguru) Suche zu gehen und ein paar Fotos einzufangen.

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Nanu, wessen Spuren sind denn das?

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Erst neugierig gucken…

Erst neugierig gucken…

…und dann schnell abhauen!

…und dann schnell abhauen!

Es goss gegen Mittag in Strömen, wie so oft in diesen Monaten. Aber ist ja klar, es war “wet-season”. Aber auch wenn es heftige Monsoon Regenschauer gab, war das lange nicht so unangenehm wie in Sydney oder bei uns in Deutschland, weil es einfach immer ziemlich warm war. Die Luft war warm und feucht. Binnen ein bis zwei Stunden war meistens alles wieder staubtrocken. Und die Menschen in Darwin stört der Regen auch nicht, sie freuen sich eher. April bis September ist Trockenzeit, Oktober bis März Regenzeit.

Da der Regen halt ein “warmer Regen” ist, stört er die meisten Leute gar nicht und manche laufen auch gerne mal extra klatschnass durch den Regen. Andere hingegen spannten ihre Schirme auf. Ein Trick von Andy war es dann immer, die Regenschirme, die er im Shop verkauft, immer an den Eingang zu stellen, sodass jeder an der Straße daran vorbeiläuft. Viele kauften dann nämlich “mal eben schnell” bei ihm einen Schirm, wenn sie unvorhergesehen vom Unwetter erwischt wurden. Ich schrieb Andy dann erstmals eine SMS zurück und informierte ihn, dass ich Sonntag oder Montag zu ihm komme. Da ich nicht unnötig Geld fürs Hostel verplempern wollte, war mir aber eh schon klar, dass ich morgen (also Sonntag) zurück gehe.

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